Erinnerungskultur

Das Engagement für Frieden und Gerechtigkeit ist tief verwurzelt im Selbstver-ständnis der Fritz-Winter-Gesamtschule und wird in den folgenden zentralen Handlungsfeldern konkretisiert:

  • Patenschaft für das Gräberfeld sowjetischer Kriegsgefangener auf dem Ostfriedhof in Ahlen
  • Erforschung der italienischen Militärinternierten in Ahlen
  • Jährliche Gedenkveranstaltung am 8. Mai auf dem Ostfriedhof
  • Garten der Erinnerung vor dem Haupteingang der Schule
  • “Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage”
  • Zusammenarbeit mit allen weiterführenden Schulen Ahlens, u.a. zur Gestaltung des Projekts “Weg der Erinnerung”
  • Patenschaft für das Grab von Therese Münsterteicher
  • Bildungspartnerschaft mit dem Volksbund Deutscher Kriegsgräberfürsorge
  • Jährlich stattfindendes Projekt in Lommel/Belgien

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„Liebe junge deutsche Freunde, ich schreibe diesen Brief, damit ihr nie die Leiden des Krieges erfahrt. Möge nur unsere Jugend verdorben worden sein. Schließt Freundschaft mit allen – liebt euch; das sage ich auch immer meinen Kindern. Möge auf der Erde immer Frieden herrschen.“

Weiter Informationen zu dieser Patenschaft erhalten Sie hier:

Casell-Arbeitskarte RückseiteManchmal sind es Impulse von außen, ungeplante und unplanbare Ideen, die eine Kette von Entwicklungen in Gang setzen. So etwas geschah 2005, als auf einem Fortbildungsseminar das bizarre Schicksal der italienischen Militärinternierten erörtert wurde: der Soldaten, die nach dem Bündniswechsel Italiens 1943 von NS-„Waffenbrüdern“ zu verhassten Feinden wurden und die zu Tausenden in deutsche Lager verbracht wurden. Die große Zahl der Betroffenen machte deutlich, dass auch Ahlen von dieser Entwicklung des Krieges betroffen war. Deshalb lag die Frage nahe, ob sich nicht ein Forscherteam dieses verdrängten Aspektes der Kriegsgeschichte annehmen könne.

Weiter Informationen zu  diesem Projekt erhalten Sie hier:

Auch die Erinnerungs- und Gedenkarbeit auf dem Ostfriedhof hat ihren Fortgang genommen. Mittlerweile ist es gelungen, sie zu einem Projekt aller weiterführenden Schulen Ahlens zu machen. Dessen Ziel bestand darin, die 127 sowjetischen Kriegsgefangenen sowie Zwangsarbeitern und -arbeiterinnen durch individuell gestaltete Holzstelen aus ihrer Anonymität zu befreien und ihnen damit ihre Würde wiederzugeben. Die Gestaltung der Stelen und damit verbunden eine Auseinandersetzung mit der Vergangenheit begann mit der Vorbereitung auf den Gedenktag des 8. Mai 2010, wurde über das Jahr in den einzelnen Schulen fortgeführt und fand schließlich mit ihrem feierlichen Einsetzen am 8. Mai 2011 ihren Höhepunkt . Damit hat die Arbeit an der Vergangenheit für ein friedliches Zusammenleben eine neue übergeordnete Qualität erreicht.

Die im Jahre 2006 übernommene Patenschaft für das Gräberfeld der Zwangsarbeiter und Kriegsgefangenen auf dem Ostfriedhof ist im Jahre 2015 feierlich, im Beisein von Dr. Peter Paziorek als stellvertretender Landesvorsitzender des Volksbundes Deutscher Kriegsgräberfürsorge erneut besiegelt worden. Dabei nimmt inzwischen auch eine Bildungspartnerschaft mit dem Volksbund deutliche Konturen an.

Der „Garten der Erinnerung“, unmittelbar vor dem Haupteingang der Schule, ist ein Ergebnis der intensiven Auseinandersetzung mit den 127 Toten auf dem Ostfriedhof. In diesem Zusammenhang gestaltete Stelen haben einen würdigen Platz im „Garten der Erinnerung“ gefunden. Durch seine Gestaltung und die Arbeiten der Schülerinnen und Schüler regt er gewiss zum Nachdenken an. Damit ist die Erinnerungskultur, für alle überaus deutlich sichtbar, zur Schule geholt worden.

Zudem befindet sich die Fritz-Winter-Gesamtschule auf dem Weg ihre Materialien, Projekte und Erkenntnisse zur Erinnerungskultur zu digitalisieren und für die Zugriffe anderer Schulen zur Verfügung zu stellen. In diesem Zusammenhang sei auf das von allen weiterführenden Schulen in Ahlen getragene Projekt “Weg der Erinnerung” verwiesen.

schule_ohne_rassismus1Trotz des berechtigten Stolzes auf das Erreichte gibt es keinen Grund, die Hände in den Schoß zu legen. Die in einem beängstigenden Maße zunehmenden Hetztiraden der Neonazis gerade auch in Ahlen erfordern zusätzliche präventive Arbeit an unserer Schule, um sie als einen Ort des Lernens vieler Kulturen zu stärken. Deshalb hat sich die Schülervertretung (SV) im Schuljahr 2010/2011 erfolgreich darum bemüht , die Fritz-Winter-Gesamtschule in das internationale Netzwerk Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage einzubinden.

Mit der Aufnahme verpflichtet sich die jeweilige Schule, sich des Themas Rassismus anzunehmen und tatkräftig alle Verstöße gegen die Menschenrechte zu bekämpfen. Wir hoffen, mit dieser Initiative ein Zeichen setzen zu können für die Stärkung des demokratischen Bewusstseins nicht nur in unserer Schulgemeinde, sondern darüber hinaus in der Bürgerschaft unserer Heimatstadt.

Pflege der Grabstelle von Therese Münsterteicher

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Juni 2017 hat die Fritz-Winter-Gesamtschule die Pflege der Grabstelle von Therese Münsterteicher übernommen. Es bestand Handlungsbedarf, weil die Geschwister-Scholl-Hauptschule, die sich bisher um das Grab gekümmert hatte, mit Ende des Schuljahres 2016/17 geschlossen wurde.

Therese Münsterteicher (1897 als Therese Notle im Delbrücker Land geboren) ist eine Frau gewesen, die während der nationalsozialistischen Diktatur wie selbstverständlich zu ihrer Freundschaft mit der jüdischen Familie von Imo Moszkowics stand und half, wo sie nur konnte:

“Gegen die Trägheit der Herzen” – Eine Helferin der entrechteten Juden in Ahlen

“Diese große stattliche Frau war der personifizierte Widerstand gegen die Nazis, ihre Waffe Menschlichkeit. Sie erhielt uns den Glauben an bessere Zeiten. …
Mit verblüffender Selbstverständlichkeit versorgte uns diese Bauerntochter aus Kaunitz mit dem, was ihr Garten, ihr kleiner Viehstall hergaben. Sie war mit meiner Schwester Rosa befreundet und kümmerte sich einen Dreck darum, ob ihre Besuche bei uns sie in Schwierigkeiten mit der Gestapo bringen könnten. Unter den Augen der Nachbarn, die fast alle Erznazis waren, stellte sie demonstrativ ihr Klapperfahrrad vor unsere Tür und schleppte die Taschen und Netze mit Futter für unsere hungrigen Kindermäuler in unser observiertes jüdisches Haus. …
Für diese Menschen, Menschen wie Tante Tres’chen, pflanzt man in Israel, in der Allee der Gerechten, Bäume; Tante Tres’chen verdient einen ganzen Wald.”
(Imo Moszkowicz, Der grauende Morgen, Regensburg 1996, S. 82 f.)

Die 1897 in Ostwestfalen geborene und aufgewachsene Theresia Nolte kam 1914 nach Ahlen zu ihrer dort verheirateten Schwester. Sie arbeitete in verschiedenen Werkstätten und kleinen Fabriken bis zu ihrer Heirat 1921. Ihr Mann Johann Münsterteicher arbeitete als Hauer auf der Ahlener Zeche; die Ehe war kinderlos. Therese Münsterteicher arbeitete in einer Emaillefabrik und freundete sich dort mit ihrer Kollegin, Imo Moszkowiczs ältester Schwester Rosa, und deren Familie an.
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Die Übergabe der Grabpflege fand sowohl an der Grabstelle als auch in der Fritz-Winter-Gesamtschule im Rahmen einer kleinen Feierstunde statt.
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Die Erinnerung an diese mutige Frau hat besonders Hildegard Offele-Aden durch ihre Recherchen und der Verschriftlichung im Buch “Therese Münsterteicher. Und wo sind die anderen?” wachgehalten. Ihr Buch ist zu empfehlen.

Bildungspartnerschaft mit dem Volksbund Deutscher Kriegsgräberfürsorge

Peter Bülter, NRW-Landesgeschäftsführer vom Volksbund, Dr. Alexander Berger, Bürgermeister der Stadt Ahlen und Alois Brinkkötter, Schulleiter der Fritz-Winter-Gesamtschule, haben im Beisein von NRW-Schulministerin Sylvia Löhrmann die Bildungspartnerschaft durch ihre Unterschriften auf der Kriegsgräberstätte im belgischen Lommel besiegelt:

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