KUNST

kunstkultur

Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit!“

Auch wenn dieser Ausspruch von Karl Valentin, dem vielseitig begabten großen Münchner Unikum, sich ironisch und widersprüchlich anhört, zeigt er doch viele Facetten von unterrichtlicher Kunstproduktion in einer Schule, der Fritz-Winter-Gesamtschule, die von Vielfalt geprägt ist.

Kunst gehört in den Unterricht, auch, aber nicht nur in den von Arbeit bestimmten Kunstunterricht, und nicht nur in den der Profilklassen Kunst. Kunstprodukte und künstlerische Gestaltung durchziehen das gesamte Schulleben und sind an unterschiedlichsten Orten sichtbare Zeichen von Kreativität und Reflexion.

Schon die ersten Wochen der Schülerinnen und Schüler des 5. Jahrgangs sind von Kunst geprägt: Namensschlangen schlängeln sich an den Wänden der neu bezogenen Klassenräume entlang, Namenspfauen zeigen Schüler mit ihren Geburtstagen, damit bald die ganze neue Klassengemeinschaft sich kennt, die Klassenräume werden individuell gestaltet und dann hängt plötzlich ein Fischernetz mit bunten Papiermeeresbewohnern an der Decke. Vor den Klassenräumen sind Wechselrahmen angebracht, damit man neue Werke der Klasse auch draußen bewundern kann, manchmal ist es auch ein flotter, provozierender Spruch. Und damit die Wände innen nicht immer mit Klebestreifenresten beklebt sind, gibt es innen im Klassenraum Teppichbodenflächen, an die man Bilder und Papiere anstecken kann.

Natürlich führt alle neuen Klassen die erste gemeinsame Rally am nahe gelegenen Fritz-Winter-Haus vorbei, wo die Nichte Werke des Namensgebers der Schule und von zeitgenössischen Künstlern präsentiert und wenn gerade eine für die Schülerinnen und Schüler interessante Ausstellung dort gehängt ist, ist dies auch ihr erster gemeinsamer Museumsbesuch.

Ist die Runde um die Schule und das angrenzende Wohnviertel (mit der Bergarbeitersiedlung, die von 1910 bis 1924 unter der Leitung von Josef Stübben unter dem Einfluss der Gartenstadtbewegung konzipiert wurde) fast beendet, kommen die Schülerinnen und Schüler auf dem Rückweg zur Schule an einem kleinen, quadratischen, frisch renovierten Gebäude vorbei, das nur aus einem Raum mit vier großen Fenstern nach außen besteht: Dem ehemaligen Kiosk am Werseradweg, wo man noch vor einiger Zeit Süßigkeiten kaufen konnte. Jetzt hat er sich zu einem Ausstellungsort für junge Künstlerinnen und Künstler entwickelt, die mit Hilfe einer Kunst-Lehrerin und einiger spendabler Finanziers einen Verein gegründet haben, um ihre Kunstwerke in der Öffentlichkeit und an einem ungewöhnlichen Ort präsentieren zu können. Die erste Ausstellung eröffneten die Schülerinnen des Kunstleistungskurses Kunst des Jahrgangs 13.

Kurz vor der Schule erleben die Schülerinnen und Schüler den Europaplatz mit der Europasäule, die der Beckumer Künster Ulrich Möckel aus Bronze gefertigt hat. Aus dem Stamm der sogenannten Friedenseiche, die 1871 aus Anlass des Friedensschlusses nach dem Sieg des deutschen Kaiserreichs über Frankreich an der Weststraße gepflanzt worden war und vor einigen Jahren gefällt werden musste, hat Ulrich Möckel eine Platik entworfen. Der untere Teil der Bronzesäule, die den ursprünglichen Eichenstamm in seinen Umrissen und in seiner organischen Struktur aufnimmt und im oberen Teil die zwölf fünfzackigen Sterne der Europaflagge, als Zeichen für den Frieden. Das Gold im Inneren der nach oben offenen Säule darf als Aufforderung verstanden werden, die Ideale wie Freiheit, Vertrauen und allgemeine Werte weiter zu entwickeln. Die Fritz-Winter-Gesamtschule hat sich jedenfalls anstecken lassen und die Zertifizierung als Europaschule auf den Weg gebracht.

Bei der Beendigung des Rundgangs betreten die Kinder des fünften Jahrgangs das Schulgebäude wieder, nachdem sie den „Garten der Erinnerung“ angeschaut haben. Vor dem Haupteingang stehen 55 von Oberstufenschülerinnen und -schülern gestaltete Stelen, die die Namen von russischen Zwangsarbeitern tragen, die auf dem Ostfriedhof begraben liegen und für deren Gräber die Schule die Patenschaft vom Volksbund deutscher Kriegsgräberfürsorge übernommen hat. Den erklärenden Text in einem Schaukasten haben sie vielleicht auch schon gelesen und, wie einige unbekannte Besucher, einen kleinen Stein auf eine Stele gelegt.

Der Namenszug der Schule über dem Haupteingang wurde ebenfalls von Schülerinnen und Schülern der Oberstufe gestaltetet. Enorm schwere Betonbuchstaben sind mit Bruchmosaik und Spiegelscherben überzogen wie die Gebäude von Antonio Gaudi in Spanien.

Direkt neben der Eingangstür sehen die Schülerinnen und Schüler diesmal sehr kleine Kunstwerke: Dort sind 20 rechteckige, ca. 5x15cm große Gestaltungen auf Pappe auf kleine Leisten gestellt. Dies sind die Entwürfe für Weinflaschenetiketten, die das Weinhaus Schulz, ein alteingesessener Unternehmer in Ahlen, jedes Jahr als Wettbewerb in Auftrag gibt. Mit diesen Etiketten werden dann die Weinflaschen für die Spezialabfüllung für den Ahlener Gourmet-Markt kreativ gestaltet, immer wieder ein beeindruckendes Zeugnis für die Zusammenarbeit mit den Ahlener Betrieben. Ein weiteres Zeugnis für eine solche Kooperation sieht man direkt gegenüber an der Wand neben dem Lehrerzimmer hängen. Dort sind bunte, etwas furchterregende, aber auch lustige Masken ausgestellt, die einige Tage die Schaufensterfiguren eines Ahlener Modehauses getragen haben, sehr zur Belustigung und Verwirrung der Passanten der Einkaufsstraße. Ein 11er-Grundkurs hatte die Masken hergestellt und in einer Kunstaktion happeningartig in der Öffentlichkeit deren verfremdende Wirkung erprobt. Eine ebenso spontane, aber ungleich „schwerwiegendere“ Kunstaktion fand in Kooperation mit den Metallwerken Renner statt. Im Metallwerk Renner stellten eine 8er-Klasse und ein Oberstufenkurs neben zeitgenössischen Künstlern und ortsansässigen Kunsttreibenden große Metallkunstwerke aus Altmetallen aus, die mit Hilfe der Mitarbeiter des Betriebs entstanden.

Allein anhand des kleinen exemplarischen virtuellen Rundgangs mit einer neuen Fünferklasse lässt sich die Präsenz von Kunst im und aus dem Unterricht und ihre immer neue Wirkung auf die Schulgemeinschaft, das ästhetische Erscheinungsbild und nicht zuletzt auf den Alltag der Lernenden zeigen. Die sichtbare, durch ihre sich immer wieder verändernde und erneuernde integrierende und inkludierende Kraft von Kunst macht Selbstwirksamkeit und Wertschätzung für Lernende und Lehrende, selbst Besucherinnen und Besucher deutlich sicht- und erfahrbar – Kultur.Pur!

Also trifft auch die Idee, dass Kunst ist, was Freude macht. (Rudolf Steiner) zu.