GARTENKULTUR
Im Umgang mit der Natur lernen alle Sinnen: Der Duft selbst gezogener Blumen oder Kräuter ist eine wunderbare Erfahrung, die Gestaltung eines bislang brachliegenden Schulgeländes, das Anlegen eines Beetes oder eines Blumenkastens nach eigenen und gemeinsamen Vorstellungen beflügelt Fantasie und Schöpferdrang. So nehmen in der Natur Kulturräume Gestalt an.
So nahm der „Oasenbau“ seinen Anfang
Im Frühjahr 2007 wurde mit folgendem Text in der Informationsbroschüre zu den damaligen Wahlen im Wahlpflichtbereich II um die Teilnahme an dem ersten Kurs im Berufsfeld Garten- und Landschaftsbau geworben:
“Im Schulalltag findet der Unterricht überwiegend im Gebäude statt, in Klassenräumen, Fachräumen und Sporthallen. Wir wollen hinaus in die Natur und kreativ mit ihr umgehen: Ziel unserer Arbeit ist die Planung und Gestaltung von Gartenräumen für unsere Schulgemeinde. Wir schauen uns Gärten in Ahlen und Umgebung, auf Landesgartenschaugeländen und in der Literatur an und entwickeln Ideen für unser Schulgelände. Wir stellen unsere Planung der Schulgemeinde vor und werben für unser Konzept. Wir setzen Gartenideen um, und vielleicht schon im Frühjahr 2008 nutzen wir die angelegten Gartenflächen und „ernten“ Blumen, Früchte, Kräuter …”
Ideen zur Finanzierung des ersten konkreten Gartenraumes
Mit Schulleitung und Förderverein wurde überlegt, dass es für eine nachhaltige Entwicklung des neuen Faches beziehungsweise für den Umgang mit der unsere Schule umgebenden Natur generell wichtig ist, an zentraler Stelle einen Gartenraum mit Vorzeigefunktion zu schaffen. Die Brache, die eingerahmt von den großen Fenstern der Flure zu Forum und Mensa lag, an der täglich die Schülerschaft und das Lehrerkollegium zur Mensa oder in den Kunst- und Darstellen/Gestalten-Unterricht vorbei laufen mussten, sollte dies erreichen. Ihre Gestaltung zu einem ansehnlichen Mittelpunkt der Schule würde mehrfach wirken: für die Kursteilnehmerinnen und -teilnehmer als sichtbarer Erfolg ihrer Arbeit, für die anderen Mitglieder der Schulgemeinde als nachhaltig nutzbarer und zu schätzender Kulturraum.
Nachdem die Ideen zur Gestaltung der Brache zu einem Atrium auf einer Sitzung des Fördervereins vorgestellt worden war, sagte der Förderverein seine Unterstützung zu. Mit dem Leiter des Ahlener Stadtteilbüros entstand die Idee zur Bewerbung um Mittel der Europäischen Union. So wurde der Bau des Atriums ein Projekt zur Qualifizierung von Schülerinnen und Schülern im GaLaBau (Garten- und Landschaftsbau) im Rahmen von LOS (Lokales Kapital für soziale Zwecke).
Atrium – eingebettet in ein Gesamtkonzept
Die Projektidee ist eingebettet in ein Gesamtkonzept der langfristigen Planung der Verbesserung von Schulhof- und Grünflächen (Nachhaltigkeit). Die Schulgemeinde der Fritz-Winter-Gesamtschule plante als ersten Schritt zur Umgestaltung des Schulgeländes – Verwandlung von Brachen in ökologisch und pädagogisch sinnvoll nutzbare Schulhofräume – ein Atrium. Dieses sollte „Grünes Klassenzimmer“, Lernort zum Lernen mit allen Sinnen und „Dorfplatz“ der Schulgemeinde werden. Der Bau und die Bepflanzung des Atriums erfolgten im Rahmen des LOS-Projekts. Gemeinsam mit einem Ahlener Meisterbetrieb und dem Grünflächenamt der Stadt Ahlen sowie dessen Meister legten die Schülerinnen und Schüler ein terrassiertes Hangbeet an und gestalteten unter Anleitung die ebene Fläche des Innenhofes durch Auskoffern, Pflastern und Anlegen weiterer formaler Beete. Nach Fertigstellung des „Rohbaus“ erfolgte die gemeinsame Auswahl und Pflanzung von Gehölzen und Stauden.
Die Abrissarbeiten von Gestrüpp, die Beseitigung von Müll und die Planungen für die Neugestaltung beschäftigten seit dem Anfang des Schuljahres 2007/2008 17 Schülerinnen und Schüler, die den Kurs gewählt hatten. Es ist ein formaler Gartenraum mit Hang-Steinbeeten, gepflasterter Fläche und einem großzügigen Sitznischen-Heckenraum im Zentrum entstanden. Die Sitzbänke wurden in einem Technik-Kurs des Wahlpflichtbereiches II hergestellt.
Die Idee des nachhaltigen Umgangs mit der Natur verbreitet sich
Im Schuljahr 2008/09 wurde ein zweiter Kurs im Wahlpflichtbereich des neunten Jahrgangs eingerichtet. Der erste Kurs im nunmehr zehnten Jahrgang wurde fortgeführt. Mit der stärkeren Einbeziehung des Schulverwaltungsamtes der Stadt Ahlen konnte mit einem für die Gesamtschule zuständigen Mitarbeiter ein Unterstützer unserer Planungen gewonnen werden.
Beide Wahlpflichtbereich II-Kurse planten die Gestaltung eines „Schulfamilien-Gartens“ als Ruhe-Oase für sommerliche Unterrichtsveranstaltungen und die Mittagspause sowie für Klassentreffen und geselliges Beisammensein im Freizeitbereich – Kultur pur. Nach Zusage von finanzieller Unterstützung durch die Stadt Ahlen begannen die ersten Arbeiten. Wie im familiären Garten sollte in dem verunkrauteten Bereich eine von Beeten eingerahmte Grasfläche angelegt werden. Gartenräume entstanden durch Heckenpflanzung und Rosenbogen. Der Vater eines begeisterten Schülers zeigte den Schülerinnen und Schülern, wie die Kantensteine zur Einrahmung der Beete gesetzt werden, und arbeitete ehrenamtlich mit ihnen an mehreren Projekttagen.
Im Juni 2009 erfolgte die Gründung der Schülerfirma „Oasenbau“, die mit ihrem Konzept Gewinner im Wettbewerb „Sei ein Futurist“ wurde – ein Wettbewerb der UNESCO mit der Drogerie-Kette dm. Das Preisgeld von 1000,- Euro wurde Kapital der Schülerfirma. So zeigt sich, dass das Konzept unserer Schule im Umgang mit der Natur und der Verschönerung unserer Schule im Sinne von nachhaltiger Bildung genauso wie unser Ansatz zu gesundem Essen und ausgewogener Bewegung anerkannt und förderungswürdig ist.
Am 18. September 2009 war Aktionstag im Rahmen der BNE-Tage (BNE = Bildung für nachhaltige Entwicklung) der UNESCO und Einweihung der zweiten Garten-Oase, dem Schulfamilien-Garten.
Weitere Projekte
Über 100 Schülerinnen und Schüler meldeten sich am Aktionstag zur Mitarbeit in der Schülerfirma und halfen künftig mit bei der Pflege der Gartenräume. Sie arbeiteten in zwei kleineren Projekten von „Oasenbau“: Schülerinnen und Schüler des fünften Jahrgangs pulten Hagebutten, säuberten die Samen und säten im Februar 2010 ungefähr 250 Wildrosensämlinge im sogenannten Rosenprojekt. Ältere Schülerinnen und Schüler arbeiteten im Pflanzkübel-Projekt und stellten Pflanzgefäße aus Beton her.
Im Frühjahr 2010 zeichnete sich ab, dass unsere Schule mit der Schülerfirma als Projekt der Stiftung Partner für Schule NRW eine Förderung erhalten kann. Wir begannen mit der Planung unserer Natur-Oase: Eine brachliegende größere Fläche (ungefähr 3.500 qm) des Schulgeländes zum Werseweg hin soll in eine „Natur-Oase“ verwandelt werden, die gleichzeitig anschauliches Medium im Unterricht wird: Ein Naturgarten mit einer Mager-Streuobst-Wiese, einem Teich als stehendem Gewässer im Vergleich zur Werse, dem Fließgewässer am Rande des Schulgeländes, einer Trockenmauer und Nisthilfen für Vögel und Insekten. Bei der Planung wurden wir vom NABU (Naturschutzbund Deutschland) und einer Diplom-Biologin beraten.
Durch diese Natur-Oase können wir unser Konzept der Nachhaltigkeit im sozialen und ökologischen Lernen in zweierlei Hinsicht ergänzen. Bei der Entstehung können Schülerinnen und Schüler der Klassen 5 bis 8, insbesondere sicherlich die ehrenamtlichen Helfer von „Oasenbau“, grundsätzlich aber alle, die beim Entstehen der Anlage Interesse entwickeln, ihren Beitrag leisten. Nachhaltig können dann Kinder und Jugendliche aller Altersgruppen durch anschaulichen Biologie- beziehungsweise naturwissenschaftlichen Unterricht mit allen Sinnen lernen.
Wieder haben wir ehrenamtliche Hilfe durch Eltern gewinnen können: Eine Gruppe türkischstämmiger Väter fällte in den Osterferien den wild gewachsenen Fichtenbestand. Für das Projekt Natur-Oase wurden 20 Schülerinnen und Schüler aus dem achten Jahrgang ausgewählt und von „Oasenbau“-Mitarbeitern des zehnten Jahrgangs angeleitet. Außerdem erhielten wir über das Grünflächenamt der Stadt Ahlen Hilfe von einer Firma, die uns mit einem Bagger die verkrautete, lehmige Bodennabe abzog. Schubkarre für Schubkarre wurden fünf Container Erdreich von den Schülerinnen und Schülern gefüllt und abgefahren sowie Magerboden in gleicher Menge verteilt. Vor den Sommerferien 2010 wurde die Magerwiese ausgesät. Kinder des fünften Jahrgangs pflanzten am Zaun ungefähr 40 der selbst gezogenen Wildrosen. In der letzten Ferienwoche trafen sich „Oasenbau“-Mitarbeiter aus dem fünften Jahrgang und betrieben Gartenpflege in Atrium und Schulfamilien-Garten, damit zum Schulbeginn alles gut aussieht.
Für die nächste Zukunft ist die Fertigstellung der Natur-Oase geplant: der Bau des Teiches und die Pflanzung einiger Obstbäume, Bau einer Trockenmauer und die Einrichtung von Beobachtungsplätzen. Langfristig sollen alle Hänge zu den Souterrain-Unterrichtsräumen, die zurzeit nur von ungepflegtem Gestrüpp bewachsen sind und durch den hohen Anteil von Brennnesseln auch kaum begehbar sind, terrassiert werden. Ständige Aufgabe für „Oasenbau“ und alle Gartenbau-Kurse bleiben Pflege und Erhalt aller Anlagen. Projekte im floristischen Bereich, das Züchten von Pflanzen oder die Produktion von Pflanzgefäßen bieten sich immer wieder an.
Inzwischen wird das Engagement für den Naturschutz durch eine schuleigene Imkerei ergänzt. Die hier involvierten Schülerinnen und Schüler
- betreuen die Bienenvölker auf dem Gelände der Fritz-Winter-Gesamtschule,
- verarbeiten Honig und Bienenwachskerzen und vermarkten ihn in der Schule (u.a. im Schülercafé),
- bauen Bruthilfen u.a. für Wildbienen und legen Beete mit z. B. Bienenweide an,
- werben als Multiplikatoren für einen zukunftsfähigen Umgang mit der Natur.