KUNST.KLASSE!
Das kulturelle und hier besonders künstlerische, oft außerschulische Miteinander der Schülerinnen und Schüler bildet eine stabile Grundlage für eine gute Klassengemeinschaft. Das gemeinsame Schaffen, die Beschäftigung mit Farben und Formen, mit schönen, wohltuenden Dingen, aber auch die Überwindung von Schwierigkeiten im Rahmen künstlerischer Prozesse, all das verbindet, tut gut und schafft eine vertraute und entspannte Atmosphäre im schulischen Alltag, die weit über den Kunstunterricht hinaus strahlt.
100. Geburtstages von Fritz Winter
Am 22. September des Jahres 2005 wurde an der Fritz-Winter-Gesamtschule anlässlich des 100. Geburtstages von Fritz Winter ein großes Fest gefeiert. Prominenz aus Schule, Kultur und Politik fand sich in der Fritz-Winter-Gesamtschule ein. Schülerinnen und Schüler sowie Lehrkräfte der Schule trugen mit besonderen „Geburtstagsgeschenken” dazu bei, dass Fritz Winter sicher großen Spaß an der Veranstaltung gehabt hätte. Es wurde deutlich, dass im Schulalltag eine Verpflichtung gegenüber dem Namensgeber gelebt wird. Künstlerische Beiträge auf der Bühne, dem Schulgelände und auf einem Kunstparcours durch Ahlen, der die drei Knotenpunkte der Jubiläumsaktivitäten und Ausstellungen (Fritz-Winter-Gesamtschule, Fritz-Winter-Haus und Kunstmuseum Ahlen) miteinander verband, brachten dieses auf vielfältige und fantastisch-kreative Art zum Ausdruck.
Ein erster Funke
Durch diese konzentrierte Aktion war für die Kunstfachschaft ein erster Funke für eine weittragende Idee gezündet. Sie wollte auch in Zukunft, im Sinne Fritz Winters, künstlerische Schwerpunkte setzen und diese in den schulischen Alltag integrieren. Die Idee eines Kunstklassenprofils keimte auf. In einer Arbeitsgruppe wurden erste Vorstellungen gesammelt und im Laufe des Schuljahres festgestellt, dass die Öffnung des schulischen Rahmens zentraler Bestandteil eines Konzeptes sein müsse. Durch gelegentliche Zusammenarbeit mit der museumspädagogischen Abteilung des Kunstmuseums Ahlen war deren Qualität bekannt. So lag es nahe, dort um Mitarbeit zu bitten. Die Schule rannte offene Türen ein. Es brauchte noch ein Schuljahr, um in Zusammenarbeit mit der Schulleitung, dem Kunstmuseum Ahlen, seinem Förderkreis und den Förderkreisen der Schule ein sowohl inhaltlich als auch finanziell realisierbares Konzept zu erarbeiten und den mitwirkenden Schulgremien zur Abstimmung vorzulegen.
Rahmenbedingungen
Die inhaltlichen Zielsetzungen der Kunstklassen liegen in einer besonders intensiven Beschäftigung mit den Inhalten des Kunstunterrichtes und der verstärkten Zusammenarbeit mit der museumspädagogischen Abteilung des Kunstmuseums Ahlen sowie anderen kulturellen Einrichtungen und freischaffenden Künstlern. Dazu erhalten die Kunstklassen zwei zusätzliche Kunststunden pro Woche. Beide Klassenlehrer sind in diesen Stunden präsent, sodass ohne Probleme Museums- und Atelierbesuche stattfinden können und in der Schule auch werkstattartig gearbeitet werden kann.
Schon zu Beginn der Unterrichtsverteilung ab Klasse 5 werden die in den Kunstklassen unterrichtenden Kolleginnen und Kollegen auf die besondere Ausrichtung dieser Klassen hingewiesen. So arbeiten die Fachlehrerinnen und Fachlehrer nach Möglichkeit künstlerische Aspekte in ihre Bereiche ein. Im Mathematikunterricht wurden bereits Kunstwerke vermessen, englische Vokabeln auch gezeichnet und Höhlenmalereien in Gesellschaftslehre mit organischen Pigmenten nachempfunden. Plötzlich, in Zusammenarbeit mit dem Kunstkollegium und den kunstinteressierten Schülerinnen und Schülern, entdeckt so mancher sein eigenes kreatives Potenzial.
Lernort Kunstmuseum
Das Kennenlernen des „Lernortes Museum” und die Zusammenarbeit mit den Museumspädagoginnen des Kunstmuseums Ahlen stehen in den Jahrgängen 5, 6 und 7 an zentraler Stelle. Pro Schuljahr sind sechs Museumsbesuche (im siebten Jahrgang vier Besuche) mit anschließendem Besuch der Malschule vorgesehen. Zusätzliche Besuche sind nach Absprache jederzeit möglich. Im fünften Schuljahr gestalten die Museumspädagoginnen gemeinsam mit den Kunstklassenlehrerinnen und -lehrern die Projektwoche zur Vorbereitung des Grundschultages mit. Alle Kinder und Jugendliche der Kunstklassen und ihre Familien haben freien Eintritt in das Kunstmuseum. Elternabende finden sowohl in der Schule als auch im Museum unter Mitwirkung des Museumsteams statt. Fußläufig von der Schule aus bequem zu erreichen wird das Museum für die Schülerschaft nach und nach zum zweiten schulischen „Zuhause”. Sie lernen, sich dort rücksichtsvoll zu verhalten und verlieren durch die Selbstverständlichkeit, dort zu sein, die Hemmungen, sich mit künstlerischen, oftmals zunächst völlig fremden Positionen, offen auseinanderzusetzen. Die Kunstklassen sind fester Bestandteil musealer Aktivitäten geworden. Beim internationalen Museumstag, im Rahmen von Ausstellungen oder von Veranstaltungen des Förderkreises des Museums haben sie bereichernd mitgewirkt. Von den Schülerinnen und Schülern ganz besonders geschätzt sind natürlich immer wieder die Möglichkeiten, auch eigene Arbeiten an diesem besonderen Ort auszustellen.
Zusammenarbeit
Neben der Zusammenarbeit mit dem Kunstmuseum stehen Besuche des Fritz-Winter-Hauses im Programm. „Wer war Fritz Winter?” – diese Fragestellung beschäftigt die Fünftklässler und selbstverständlich erhalten sie dort ausgiebige Antworten und Einblicke in sein Schaffen. Aber auch Atelierbesuche bei regionalen Künstlerinnen und Künstlern sowie Fahrten in andere Museen gehören zu den Inhalten der Kunstklassen. Großformatiges Arbeiten unter Anleitung der Sendenhorster Künstlerin Doris Galla in ihrem Atelier, der Besuch der Münsteraner Ateliergemeinschaft am Hawerkamp, Atelierbesichtigungen bei der Ahlener Künstlerin Christiane Laun, dem Beckumer Künstler Ulrich Möckel, Besuche des Lichtkunstmuseums in Unna, der Kunsthalle Emden und der Düsseldorfer Kunsthalle gehörten unter anderem zum Programm. Durch die Möglichkeit der intensiveren Arbeit im Fach Kunst ist die Teilnahme an Wettbewerben und Ausschreibungen leichter zu realisieren. So konnten Schülerinnen und Schüler der Kunstklassen Preise erzielen bei dem Wettbewerb des Kunstvereins Ahlen anlässlich seines 20jährigen Jubiläums sowie bei der Ausschreibung des Rotary-Klubs zur Logogestaltung für eine neue Kinder- und Jugendstiftung.
Neue Erkenntnisse
Nach neun Jahren Kunst.Klasse! sind natürlich viele Erfahrungen gemacht und damit verbundene Erkenntnisse gewonnen worden. Es wurde deutlich, dass gemäß der Altersentwicklung der Schülerschaft vor allem für die Besuche im Kunstmuseum neue Wege der Auseinandersetzung erfolgen müssen. Statt anfänglich vor allem rezeptiv neue Inhalte aufzunehmen, sich damit zu beschäftigen und Ideen weiterzuentwickeln, steht die eigene, aktive Auseinandersetzung mit musealen Inhalten in den Klassen 8 bis 10 im Mittelpunkt. Die Jugendlichen schlüpfen immer mehr in die Rolle der fachkundigen Vermittler und bereiten zunehmend selbstständig Ausstellungsbesuche vor. Dieser Schwerpunkt der eigenständigen Vermittlungsarbeit kann später durch die Teilnahme an der museumspädagogischen Initiative des Kunstmuseums für Schülerinnen und Schüler der Oberstufe („Live-speakers”) fortgeführt werden. Im Zentrum der praktischen Arbeit steht neben der Annäherung an vorhandene künstlerische Ausdrucksformen zunehmend die Schärfung des eigenen individuellen künstlerischen Profils. Gleichzeitig treten fachwissenschaftliches Arbeiten, kunsthistorische Bildung und Einblicke in Arbeitsfelder im künstlerischen Bereich zum Ende der Sekundarstufe I immer mehr in den Fokus der Kunstklassenarbeit.
Neben der großen Zahl an Kindern, für die die Wahl der Kunst.Klasse! auch langfristig ohne Zweifel richtig war, gibt es natürlich auch einzelne, die im Laufe der Zeit den eigenen Antrieb für das künstlerische Schaffen, aus welchen Gründen auch immer, verloren haben. Hier liegt die Aufgabe bei den Lehrerinnen und Lehrer, nach den Ursachen zu forschen und diesen Schülerinnen und Schülern Raum zu geben, sich selbst immer wieder einzubringen, um ihren eigenen Platz in der Klassengemeinschaft zu erhalten und ihre individuelle Vorgehensweise in der künstlerischen Arbeit als wertvoll zu erfahren.
Elternmitarbeit
Das große Interesse vieler Eltern, die ihre Kinder in einer Kunst.Klasse! haben und die damit einhergehende Bereitschaft, mitzuwirken, zum Beispiel bei der Materialbeschaffung oder auch als Begleitung oder Fahrdienst für Wege zum Museum oder zu Künstlerateliers in der Region, ist besonders hervorzuheben. Ohne diese Elternmitarbeit wären viele Aktionen nicht realisierbar.
Kooperationsvertrag mit dem Kunstmuseum
Als ein vorläufiger Höhepunkt der Zusammenarbeit mit dem Kunstmuseum Ahlen ist am 4. März 2015 im Kunstmuseum Ahlen ein Kooperationsvertrag offiziell unterzeichnet worden – im Beisein von Sylvia Löhrmann, Schulministerin des Landes Nordrhein-Westfalen. Ihr Resümee:
“Von den Projekten, die ich heute bei meinem Besuch habe erleben dürfen, bin ich wirklich sehr beeindruckt. “Jeder Mensch ist ein Künstler”, hat Josef Beuys gesagt, und ich finde, er hat recht. Das künstlerische und kreative Potenzial von Kindern und Jugendlichen zu entdecken und zu fördern, gehört für mich zu einer guten Schule dazu. Selbstwertgefühl und Persönlichkeit werden gestärkt. Danke für diese ganzheitliche Bildungsarbeit. Den Schülerinnen und Schülern danke ich für die vielen fritzart-Kärtchen und den Schlüsselbund.
Alles Gute und weiterhin viel Erfolg und Freude in der Schule.”
Verschärftes Profil: Kunst.Klasse!
Bewährtes bleibt: die Begegnungen mit Kunst und Kultur, die breite Ausbildung in alten und neuen Techniken, die Experimentierlust beim Gestalten.
Dazu kommt die Würze, nämlich die Hinwendung zum Bereich Design und gestaltendem Handwerk.
Mehr als 50 klassische Ausbildungsberufe sind künstlerisch-entwerfende-kommunikative Berufe. Dabei sind akademische Ausbildungen nicht mitgerechnet. Eine hochwertige Ausstattung und eine breite Wissensvermittlung bereiten ihre Kinder auf die entsprechenden Ansprüche der Berufe vor.