Berufsorientierung,  Kooperation

„Im Studium war ich nur eine Nummer“

Eigentlich sind sich alle einig: Handwerk hat Zukunft, Handwerk ist vielfältig. Trotzdem plagen viele Betriebe Nachwuchssorgen. Wie Abiturientinnen und Abiturienten eine Ausbildung im Handwerk als attraktive Alternative zum Studium präsentiert werden kann, darüber beriet jetzt die Kreishandwerkerschaft Steinfurt-Warendorf mit Oberstufen-Lehrerinnen und Lehrern. Mit dabei war auch die Fritz-Winter-Gesamtschule. Und dass Regierungspräsidentin Dorothee Feller mitdiskutierte, zeigt, wie sehr das Thema drängt.

 

Angelegt war die zweitägige Veranstaltung als „Pilotprojekt“, wie Frank Tischner, Hauptgeschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Steinfurt-Warendorf verdeutlichte: „Wie können wir in den Schulen die Bedeutung des Handwerks näherbringen?“ Eingeladen ins Bildungszentrum der Kreishandwerkerschaft in Rheine waren Gesamtschulen und Gymnasien; aus dem Kreis Warendorf nahm nur die Fritz-Winter-Gesamtschule mit der Sozialwissenschaftslehrerin Charlotte Knebes und dem Studien- und Berufswahlkoordinator für die gymnasiale Oberstufe, Bernd Lessner, teil.

 

Die Kreishandwerkerschaft Steinfurt-Warendorf vertritt 27 Handwerksinnungen mit rund 2300 Mitgliedsbetrieben. Groß ist dort vielfach die Sorge beim Werben um die besten Köpfe an Vorurteilen bei Jugendlichen, Lehrkräften oder Eltern zu scheitern. Mit drei Auszubildenden, die gleich sofort nach dem Abitur oder nach einem abgebrochenen Studium ihr Glück als Fensterbauer, Kfz-Mechatroniker oder Zimmerer gefunden haben, präsentierten Frank Tischner und seine Kollegen von der Kreishandwerkerschaft den Lehrkräften drei zufriedene Gegenentwürfe zur Hochschule. „Im Studium war ich eine Nummer, jetzt bin ich als Person im Betrieb wichtig“, meinte etwa einer der Azubis.

 

Ein Besuch bei der Firma Schubert in Wettringen, die unter anderem Einrichtungen für Luxusyachten auf Weltmeeren und Luxusapartments in Weltstädten baut, und dem Holzfensterbauer Brinker in Neuenkirchen, 2021 als „Top Ausbildungsbetrieb“ ausgezeichnet, rundeten für Charlotte Knebes, Bernd Lessner und die anderen Lehrkräfte den Blick ins Handwerk ab. Praktische Übungen an Drehbänken forderten eigenhändige Metallbearbeitung, möglich war sogar ein Einblick in Elektro- und MAG-Schweißen.

 

„Muss es immer zwingend zum Studium gehen, ist noch aktuell, dass das Abitur zum Studium führen muss“, formulierte Regierungspräsidentin Dorothee Feller bei ihrem Besuch als Diskussionsimpuls. Für die Region seien mittelständische und handwerkliche Betrieb wichtig, hätten diese vergleichsweise gut durch die letzten Krisen gebracht. „Offenbar gibt es aber keine aktuellen Vorstellungen darüber, was im Handwerk läuft, welche Fertigkeiten verlangt werden.“

 

Dass sich das verbessert, dafür könnten, so ein Ergebnis des Projekts, auch günstigere Bedingungen für Praktika in der gymnasialen Oberstufe sorgen. An der Fritz-Winter-Gesamtschule findet dies seit Jahren im Jahrgang 12 statt. Um Handwerk direkt zu erleben, könne auch über eine Ausdehnung der im Kreis Steinfurt bewährten Mint-Rallye auf das Handwerk nachgedacht werden. Denn offene Türen gewähren die Betriebe nicht nur beim Berufseinstieg. Auch später gibt es Chancen für engagierte Kräfte. Frank Tischner: „28,6 Prozent der Betriebsinhaber bei uns sind über 60 Jahre alt, viele finden keinen Nachfolger.“

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